Biografie

Wie kaum ein anderer schwarzer Bluesmusiker hat er in den 60er und 70er Jahren unzählige (weiße) Rocksänger und Rockgitarristen mit seinem humorigen und coolen Gesangsstil, aber gleichermaßen aggressiven Gitarrenspiel beeinflußt.

Geboren wurde John Lee Hooker am 22. August 1917 in Clarksdale/Mississippi. Er wuchs in einer großen Familie auf, wie es typisch war für Schwarze jener Zeit, als das Leben als Landarbeiter dem eines Leibeigenen gleichkam, und viele Kinder für den Unterhalt der Familie zu sorgen hatten. Sein Vater starb früh, und aufgezogen wurde H. von seiner Mutter und seinem Großvater, der in der Gegend von Clarksdale ein geschätzter Bluessänger war. Das Gitarrenspiel erlernte er von seinem Stiefvater Will Moore. Musik war in jener Zeit ein selbstverständlicher Teil der Arbeitswelt der schwarzen Farmarbeiter, auf den Feldern und im Haus wurde Gospel, Spiritual und Blues gesungen. ”Ich sah, wie die Leute zuhörten und sich freuten, wenn Musik gemacht wurde. Wie sie froh wurden und ihren Kummer vergaßen. Als ich 13 war, wollte ich nur eins: Musiker werden”, berichtete H. über seine Jugend. Bei Abend- und Wochenendfesten ließ man ihn schon bald eifrig mitspielen. Aber H. hörte auch viel von der großen Welt draußen. Von den Städten, in denen gerade das Musikgeschäft aufblühte, wo man in Clubs und Spielhallen viel Geld machen konnte. Die Verlockung wurde bald übermächtig. Mit 15 lief er zum ersten Mal von Zuhause fort nach Memphis, wo er in den Kinos der Beale Street gelegentlich spielen und sein erstes Geld verdienen konnte. Seine Eltern suchten ihn und brachten ihn aufs Land zurück. Aber H. rückte immer wieder aus. Nachdem er das Leben in der Stadt einmal kennengelernt hatte, erschien ihm das Dasein als halber Sklave auf der Farm doppelt öde und unerträglich. Als seine Mutter sah, daß sie den Jungen nicht mehr halten konnte, erlaubte sie ihm, in Memphis zu bleiben. Er suchte sich einen Job in einer Fabrik und spielte nebenbei vor allem in Kirchen, aber auch schon einmal abends in einem Club. Doch hielt es ihn auch dort nicht lange und er zog weiter nach Detroit, wo er als Pförtner in einer Autofabrik arbeitete. Abends trat H. in sog. ”After-Hour-Sessions” in lokalen Clubs auf. Nach einiger Zeit des Beschnupperns erkannten manche einheimischen Musiker das Talent des jungen Mannes und förderten ihn, gaben ihm Tips und praktische Hilfe. Kleine Plattenfirmen holten H. schließlich ins Studio.

Schnell bekannt wurde H. mit seiner Single ”Boogie Chillun”, die im Oktober 1949 ein nationaler Hit wurde. Er spielte damals bereits E-Gitarre, kehrte in den frühen 60ern jedoch zur akustischen wieder zurück. Zwischen 1949 und 1954 veröffentlichte er über 70 Singles auf 21 verschiedenen Labels unter diversen Pseudonymen. Immer voller wurden die Säle, wenn er spielte. Mit seinem charakteristischen Gitarrenstil, der einen Gegensatz in Form von rhythmischer Komplexität gegenüber harmonischer Schlichtheit enthält, wurde er weit über die Grenzen Detroits bekannt. Er hämmerte auf die Gitarrensaiten und stampfte dabei im Takt kräftig mit den Füßen auf den Boden. Unverwechselbar wurde sein Gesang durch einen leichten Sprachfehler, der seine Stimme bedeutungsvoll, geheimnisvoll machte.

Im Juni 1960 zählte H. zu den wenigen Blueskünstlern beim ”Newport Folk Festival”. Ein knappes Jahr später, am 11. April 1961, gab er ein Konzert in New York, das von einem bis dahin unbekannten Folksänger eröffnet wurde: Bob Dylan. Mit dem ”American Blues Folk Festival” kam H. 1962 auf Europa-Tournee. Vor allem in Großbritannien zeigten sich viele junge Musiker sichtlich beeindruckt. Im Sommer 1964 jedenfalls war die englische Musikszene voll im Bluesrausch; H. zählte neben Howlin' Wolf und Jimmy Reed zu den größten Vorbildern. Insbesondere die ANIMALS spielten H.-Songs nach (”Boom, Boom”, ”Dimples”) und landeten damit erste Erfolge.

1966 unterzeichnete H. einen langfristigen Vertrag mit dem US-Label 'ABC'. Sein Einfluß auf den ”weißen Blues” beschränkte sich nicht mehr nur auf britische Musiker wie John Mayall oder Eric Burdon, er erreichte endlich auch junge amerikanische Nachwuchskünstler, so z.B. Johnny Winter oder die Blues & Boogie-Band CANNED HEAT, mit der er 1971 sogar ein Doppelalbum einspielte (”Hooker'n'Heat”). Seine letzte (bis heute nur wenig beachtete) LP für das 'ABC'-Label (”Free Beer And Chicken”) nahm er 1974 mit Gastsänger Joe Cocker (der einen eigenen Song beisteuert!) sowie weiteren illustren Sessionmusikern (u.a. 'Wa-Wa' Watson, Don 'Sugarcane' Harris, 'Hollywood Fats') auf. Noch im gleichen Jahr wechselte er zu 'Atlantic Records', doch hielt H. sich mit neuen Einspielungen sehr zurück.

Überhaupt machte er sich - angesichts seines Alters kein Wunder - eher rar, tauchte nur hin und wieder bei Blues-Festivals auf. Mitte 1988 ging H. mit (vergleichsweise) jungen Blues- und Rockgitarristen wie Carlos Santana, Robert Cray (s. dort) oder George Thorogood sowie den Gruppen LOS LOBOS und CANNED HEAT, die zu seinen Bewunderern gehören, ins Studio. Das Album mit dem verheißungsvollen Titel ”The Healer” erschien schließlich im Sommer 1989. H. wirkte im gleichen Jahr auch bei Pete Townshends Rock-Musical-LP ”The Iron Man” mit, dessen Titelrolle er in dem Song ”I Eat Heavy Metal” überzeugend ausfüllt.

”The Healer” verstörte verständlicherweise viele Blues-Puristen ob seiner perfekten Produktion und unbekümmerten Annäherung zum Mainstream-(Blues-)Rock. H. scherte sich einen Dreck um kleinkarierte Kritiker, genoß vielmehr den Riesenerfolg, den dieses Album einheimste: Fast 40 Wochen hielt es sich in den US-Charts, und auch international verkaufte es sich prächtig. Gekrönt wurde H.s Comeback durch einen 'Grammy', den der inzwischen 72jährige am 21. Februar 1990 für ”I'm In The Mood”, sein Duett mit Bonnie Raitt (s. dort), in der Kategorie ”beste traditionelle Blues-Aufnahme” in Empfang nehmen durfte. Eine weitere Ehrung wurde ihm im Oktober des gleichen Jahres zuteil: Im Rahmen eines Blues-Festivals im New Yorker 'Madison Square Garden' spielte eine erlesene Musiker- und Sängerschar, darunter Albert Collins, Joe Cocker, Bo Diddley, Huey Lewis und LITTLE FEAT, unter dem Motto ”A Tribute To John Lee Hooker” auf. Wenige Monate später, im Januar 1991, folgte noch eine wichtige Auszeichnung: die Aufnahme in die ”Rock'N'Roll Hall of Fame”. Der Erfolgslinie von ”The Healer” folgend, erschien im Herbst 1991 das treffend betitelte Album ”Mr. Lucky”. Angesichts der langen Gästeliste (Ry Cooder, Van Morrison, Robert Cray, Keith Richards, Nick Lowe u.a.) ist die Mischung wiederum sehr bunt: natürlich Blues, angereichert mit Shuffle-, Rock- und Rockabilly-Elementen. Viele Kritiker gerieten erneut ins Schwärmen, z.B. Hans-Jürgen Günther im 'tip-Magazin' (21/91): ”Das Blues-Album des Jahres.” H. blieb in Spiellaune, fand aber 1992 ”...den Weg zurück zum ungeschliffenen, authentischen Blues” ('Fachblatt-Musikmagazin', 12/92). Er war inzwischen zum kleinen britischen 'Point Blank'-Label gewechselt und hatte, diesmal nur mit wenigen Sessionmusikern (Robert Cray, Charlie Musselwhite, FABULOUS THUNDERBIRD Jimmie Vaughan und John Hammond), das Album ”Boom Boom” eingespielt. Der Titelsong ist ein Remake seines Hits aus den 60ern und fand auch in einem Werbespot für eine Blue Jeans-Marke Verwendung. Ob H. mit ”Boom Boom” das durch ihn Ende der 80er Jahre forcierte Blues-Revival wieder in die ”richtige” Bahn leiten will, läßt sich nur mutmaßen. Das Fazit der Kritik in 'ME/Sounds' (12/92) schließt dies nicht aus: ”Urig, archaisch und streng emotional verweist 'Boom Boom' den Designer-Blues der 90er in die Schranken.”

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Aus: Pop-Archiv International 04/93 vom 15.04.1993